Am 29.02.2016 hat das Amtsgericht Lüneburg in einem Beschluss zum Aktenzeichen 56 IN 16/16 die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen der Reederei M. Lauterjung GmbH & Co. KG MS „City of Guangzhou“ angeordnet. Erneut ist damit eine Schiffsgesellschaft insolvent.
Eine Reederei im Insolvenzantragsverfahren, das interessiert mich doch nicht, sagen Sie? Hinter dem komplizierten und zugleich so freundlichen Namen der Gesellschaft steckt viel mehr als nur das, was drauf steht. Die hier betroffene Gesellschaft ist eine sogenannte Fonds-Gesellschaft. Das bedeutet, dass hier nicht nur eine Reederei untergeht und womöglich ihren Betrieb einstellt, es hängen zugleich die Schicksale von sehr vielen Gesellschaftern daran. Wer hier sein Geld investiert hatte, riskiert vielleicht selbst ein Insolvenzverfahren.
Vermarkter der Fondsanteile war die HCI Capital AG (Hamburg), die ihr Geschäftsmodell auf den Vertrieb von Schiffsfonds an Anleger aller Art aufgebaut hatte. Schiffsfonds sollten Steuern sparen und zugleich eine sagenhafte Rendite erzeugen. Teil des Systems sind üblicherweise Ausschüttungen des zuvor eingezahlten Geldes an die KG-Gesellschafter, also die eingeworbenen Fondsanteil-Käufer.
Dieses Hin- und Herzahlen der KG-Einlage führte zu einem geplanten Geldabfluss bei den Schiffsgesellschaften. Die Einnahmen aus dem Schiffsbetrieb, also der Vermietung des Schiffs an Transportunternehmen, hätten nicht nur die Kosten decken sollen, sondern auch die Ausschüttungen. Wenn alles wie in den 1990ern gelaufen wäre, dann hätte das Modell wahrscheinlich funktioniert und wohl auch für die Reederei M. Lauterjung GmbH & Co. KG MS „City of Guangzhou“. Nur die reale Entwicklung des Schiffschartermarktes war nicht die, die bisher immer zu sehen war. Seit dem Jahr 2008 befindet sich der Schiffschartermarkt in einer heftigen Krise. Und ein Ende Krise ist nicht abzusehen. Die Charterraten, also die am weltweiten Schiffsmietmarkt zu erzielenden Einnahmen für die jeweiligen Schiffe/Reedereien sanken stetig und pendeln heute noch auf einem Niveau, was teilweise nicht einmal die täglichen Kosten des Schiffsbetriebs deckt. Das war auch schon mal in früheren Jahren so, nur erholte sich der Markt in einem langjährig wiederkehrenden Zyklus immer wieder und die Prognosen der Fonds gingen auf.
Woran es liegt, dass der aktuelle Abschwung im Zyklus noch anhält ist, höflich gesagt, umstritten. Ein Grund ist hochwahrscheinlich die immer größer werdende Zahl an großen Containerschiffen mit über 10.000 Standardcontainerstellplätzen und mehr. Da können die kleineren Schiffe mit 2.000-3.000 Stellplätzen nicht bei den Kosten mithalten. Darüber hinaus wurde jahrelang in sehr schnelle Schiffe investiert, die sehr viel Bunkeröl als Triebstoff brauchen. Die Bunkerölpreise unterliegen ebenfalls einer Schwankung, die aber am Rohölpreis hängt. Der war wiederum sehr lange sehr hoch. Die Kombination aus sinkenden Einnahmen wegen der Großschiffkonkurrenz und konstant hohen Ölpreisen auf der Ausgabenseite ist kritisch. Nicht umsonst gab HCI Capital in seinem Geschäftsbericht auf das Jahr 2014 bekannt, dass allein in diesem Jahr 36 Einzelgesellschaften der HCI-Fonds Insolvenzantrag stellen mussten. Neben HCI gibt es viele weitere Vertriebsgesellschaften, wie die Dr. Peters Gruppe oder MPC Münchmeyer Petersen Capital, bei denen in den vergangenen fast zehn Jahren immer neue Fonds-Insolvenzen auftraten.
In einem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Schiffsfonds passiert regelmäßig folgendes. Der Insolvenzverwalter bewirtschaftet das Schiff weiter, so gut es geht und sucht mit der den Kauf/Bau des Schiffs finanzierenden Bank einen Käufer. Das Geld aus dem Verkauf geht mit hoher Wahrscheinlichkeit an die Bank, die eine Sicherung am Schiff hat. Wie bei Immobilien gibt es für Schiffe ein Register über Hypotheken, die auch in Insolvenzverfahren Vorrechte gewähren.
Dann geht es um die Frage, ob die KG-Gesellschafter ihre Einlage ordnungsgemäß erbracht haben oder ob sie unrechtmäßige Auszahlungen erhalten haben. Wenn dem so ist, ist der Insolvenzverwalter gehalten, diese Ansprüche nach § 172 Absatz 4 HGB einzuziehen. Das heißt er wird die Gesellschafter auf erneute Einzahlung verklagen. Hinter diesem scheinbar einfachen Anspruch steckt eine Vielzahl juristischer Fallstricke, die vom Gesellschaftsvertrag, von der tatsächlichen Auszahlung und einer wegweisenden BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2013 abhängen.
Und damit sind wir bei dem Ärger, der eine so harmlos erscheinende Reederei-Insolvenz zu einem Fall für den Rechtsanwalt machen kann. Oder im schlimmsten Fall zum Insolvenzverfahren über das Vermögen des einzelnen Gesellschafters, also Ihnen. Fragen Sie Ihren Anwalt, damit Sie nicht mit der Reederei untergehen.