In einer neuen Entscheidung vom 22.02.2018 (BAG 6 AZR 868/16) hat das Bundesarbeitsgericht festgestellt, dass auch Insolvenzverwalter nicht vor den finanziellen Risiken einer unwirksamen Kündigung geschützt sind.
Was war passiert? Der Insolvenzverwalter eines Drogeriemarktes hatte einer Mitarbeiterin, gleich mehrfach, gekündigt. Und wie es manchmal so ist, auch Rechtsanwälte machen Fehler. Die Kündigungen waren beide nicht wirksam. Wenn aber eine Kündigung unwirksam ist, dann muss der Arbeitgeber oder dessen Insolvenzverwalter den Lohn weiter zahlen. Das ist für Insolvenzverwalter insoweit schwierig, weil er dafür Geld aus der Insolvenzmasse zahlen muss. Wenn diese Insolvenzmasse nicht ausreicht, um alle Arbeitnehmer und sonstigen Gläubiger zu bezahlen, dann kann der Insolvenzverwalter die sogenannte Masseunzulänglichkeit anzeigen. In dieser manchmal als Insolvenz der Insolvenz bezeichneten Situation wird an die Massegläubiger nichts mehr gezahlt und sie bekommen irgendwann eine Quotenzahlung.
Der Insolvenzverwalter hatte die Masseunzulänglichkeit angezeigt und nun verlangte die Arbeitnehmerin, als nach dem Ende des Arbeitsgerichtsprozesses feststand, dass die Kündigung unwirksam war, ihren Lohn nachgezahlt. Der Verwalter verweigerte die Zahlung. Schließlich hatte er ja die Masseunzulänglichkeit angezeigt. Die Arbeitnehmerin nun berief sich auf § 209 Abs. 2 Nr. 2 und Absatz 1 Nr. 2 InsO. Danach ist ein Massegläubiger vorrangig zu bedienen, wenn seine Forderung nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit entstanden ist und insbesondere bei Arbeitnehmern die erstmalige Kündigungsmöglichkeit schon verstrichen ist.
Das Bundesarbeitsgericht hatte nun zu entscheiden, ob bei einer eigentlich vor Anzeige der Masseunzulänglichkeit schon ausgesprochenen Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist vor der Anzeige überhaupt Neumasseverbindlichkeiten nach § 209 Ins entstehen. Dem reinen Wortlaut der Vorschrift nach eigentlich nicht. Denn der Insolvenzverwalter hatte ja mit Frist vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit gekündigt. Aber, so das BAG, das gilt nur für wirksame Kündigungen. Stellt das Arbeitsgericht wie hier fest, dass eine oder sogar alle Kündigungen unwirksam sind und wird das Arbeitsverhältnis damit als fortbestehend angesehen, gleich, ob der Arbeitnehmer noch zur Arbeit erscheint oder nicht, dann tritt auch die Wirkung des § 209 ein. Der Arbeitnehmer bekommt ab dem Zeitpunkt der Anzeige der Masseunzulänglichkeit aus der Masse seinen Lohn bis das Arbeitsverhältnis dann doch endgültig beendet ist.
Zusammengefasst:
Kündigt der Insolvenzverwalter einem Arbeitnehmer des Schuldners, so muss er wie der Schuldner eine wirksame Kündigung erklären. Tut er dies nicht, so kann er sich wegen § 209 InsO nicht allein auf die Masseunzulänglichkeit berufen und muss an den Arbeitnehmer als Neugläubiger bezahlen.