Wer als GmbH-Geschäftsführer die fälligen Steuererklärungen nicht abgibt oder die festgesetzten Steuern nicht zahlt, kann nach § 35 GmbHG, § 69 und § 34 Abgabenordnung (AO) vom Finanzamt in Anspruch genommen werden, muss also für die Verbindlichkeiten der GmbH haften. Ausreichend für die Haftung als Geschäftsführer einer GmbH ist eine grob fahrlässige Nichtzahlung.
Interessant wird diese Haftungsvorschrift immer dann, wenn die betreffende Gesellschaft ins Insolvenzverfahren geht. Das Finanzamt bleibt auf den angemeldeten Umsatzsteuern sitzen und bekommt nur eine Quote aus dem Insolvenzverfahren. Was liegt näher, als die Geschäftsführer in Anspruch zu nehmen?
Im nun durch den Bundesfinanzhof entschiedenen Fall (Urteil vom 26.1.2016, VII R 3/15) ging es um eine GmbH & Co. KG. Die Geschäftsführer der Komplementärin, also der GmbH, gaben die notwendigen Umsatzsteuervoranmeldungen ab und versuchten auch wesentliche Teile der Steuern zu entrichten. Gezahlt wurde in den Monaten September bis November 2011. Anfang Januar 2012 beantragte die Gesellschaft dann die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Verfahren wurde im Februar 2012 eröffnet.
Der Insolvenzverwalter verlangte die gezahlten Steuern im Wege der Anfechtung zurück. Das Finanzamt zahlte und wollte nun die nicht von der Insolvenzquote gedeckte Restsumme von den Geschäftsführern der GmbH im Wege der Haftung realisieren. Die Geschäftsführer griffen die erlassenen Haftungsbescheide an und wandten ein, dass die Nichtzahlung doch erst durch die Anfechtung entstanden sei und damit die Handlungen oder Unterlassungen der Geschäftsführer im Anfechtungszeitraum nicht mehr ursächlich für den Steuerschaden gewesen seien. Vereinfacht gesagt: „Ich kann doch nichts dazu, wenn der Insolvenzverwalter hinterher das Geld über die Anfechtung zurückholt.“
Das Finanzgericht folgte dem Vortrag der Geschäftsführer teilweise. Für einen Teil der gezahlten und angefochtenen Steuern seien die Geschäftsführer verantwortlich, weil diese zu spät gezahlt wurden, so dass dadurch die Zahlung in den Dreimonatszeitraum der §§ 131, 130 InsO fiel. Das wäre grob fahrlässig gewesen und die Geschäftsführer hätten die letzte Ursache gesetzt, nicht der anfechtende Insolvenzverwalter. Für den Rest sei aber keine Verursachung zu erkennen, da hier die Geschäftsführer alles richtig gemacht hätten und nur durch die zufälligen Daten der Antragstellung die Anfechtung ermöglicht wurde. Der Verwalter habe also die letzte Ursache für den Schaden gesetzt.
Anders sieht das der BFH in seiner Entscheidung vom 26.01.2016:
„Durch die zumindest grob fahrlässige Pflichtverletzung der Nichtentrichtung fälliger Umsatzsteuern in Höhe der Haftungsquote haben die Kläger eine Ursache für den Eintritt des Steuerschadens gesetzt, der nicht entfällt, weil die geleisteten Zahlungen tatsächlich angefochten worden sind bzw. weil zumindest hinsichtlich der unterbliebenen Zahlungen die Möglichkeit einer Anfechtung nach §§ 129, 130 InsO bestanden hätte.“
Zur Begründung führt der BFH zunächst aus, dass eine Pflichtenkollision zwischen der Erklärungs- und Zahlungspflicht und der anfechtungsrechtlichen Behandlung von Zahlungen für die Geschäftsführer nicht besteht. Erst, wenn der nach der BFH-Rechtsprechung zu fordernde Kausalzusammenhang zwischen Ursache und Schaden nicht mehr gegeben ist, entfällt die Haftung. Der Zusammenhang fällt weg, wenn der Steuerausfall als Vermögensschaden mangels ausreichender Zahlungsmittel und vollstreckbaren Vermögens des Steuerschuldners und späteren Insolvenzschuldners des Steuerpflichtigen unabhängig davon eingetreten ist, ob Steueranmeldungen fristgerecht eingereicht und die geschuldeten Steuerbeträge innerhalb der gesetzlich hierfür bestimmten Fristen entrichtet worden sind. Wer nichts mehr zahlen kann, kann seinen Pflichten nicht nachkommen.
Sind aber noch ausreichende Mittel vorhanden, um zumindest einen Teil der Umsatzsteuerschuld, in gleichem Umfang wie andere Verbindlichkeiten, zu begleichen, dann besteht der Zusammenhang fort. Dies sei gerade der Zweck der Haftungsnormen.
Der BFH erklärt dazu:
„Vom Normzweck erfasst wird nicht nur die Vermeidung eines durch eine verspätete Zahlung eintretenden Zinsausfalls, sondern auch die Erfüllung der Steuerschuld nach den rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit. Die Pflicht zur pünktlichen Steuerzahlung dient nicht nur der Vermeidung des Verzugsschadens beim Fiskus, denn dieser Schaden wäre bereits durch Verzugszinsen auszugleichen. Auch zur Vermeidung sonstiger Schadensrisiken, wie z.B. einer verminderten Leistungsfähigkeit, wollte der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Steuerzahlung anhalten. Gerade in Zeiten der Krise kommt der Pflicht zur pünktlichen Zahlung der Steuer eine erhöhte Bedeutung zu. Sie soll den Fiskus nicht nur davor schützen, dass der Steuerschuldner zahlungsunfähig wird, bevor er (verspätet) bereit ist, seine Steuerschulden zu begleichen, sondern auch vor allen sonstigen Risiken verspäteter Zahlungsbereitschaft (zur Schadenszurechnung bei der Lohnsteuer vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2008 VII R 19/08, BFHE 223, 303, BStBl II 2009, 342).“
Die Geschäftsführer hätten, so der BFH, bei der Annahme die Insolvenzanfechtung beseitige die Haftungsursache, selbst steuern können, wann sie den Insolvenzantrag stellen und dadurch wann und in welchem Umfang damit ein Schaden für den Staat durch die dann nicht abgeführte und nicht durch Haftung zu erzielende Steuer entstehe. Eine solche Betrachtung widerspreche dem Sinn und Zweck der Haftungsnormen.
Die Entscheidung des Finanzgerichts wurde durch den BFH entsprechend in dem Teil aufgehoben, der die Geschäftsführer von der Haftung freisprach.
Zusammengefasst: Der Geschäftsführer einer Gesellschaft muss die steuerlichen Pflichten aus Erklärung und Zahlung auch in der Krise beachten. Hat die Steuerpflichtige Gesellschaft gar keine Mittelmehr, kann er die Zahlung einstellen. Sind Mittel vorhanden muss er das Finanzamt wie alle anderen Gläubiger auch quotal befriedigen, selbst wenn das hinterher zur Anfechtung führt. Die Anfechtung befreit ihn nicht von der Haftung. Die Haftung erstreckt sich auf den nicht von der Insolvenzquote gedeckten Rest der Steuerschuld.