In der zehnten Ausgabe des Fragen-Freitag wird es persönlich. Folgen Sie mir in einen kurzen Abriss über meine Sicht der Dinge. Vollkommen subjektiv und ohne Anspruch auf Korrektheit.
Die Welt des Insolvenzrechts ist nicht immer einfach zu verstehen. Wer als Schuldner im Insolvenzverfahren daran teilnimmt, hat manchmal das Gefühl, dass alles sehr ungerecht zugeht. Das ist nicht ganz falsch. Kein Rechtsgebiet ist für alle Beteiligten gerecht. Es kommt sehr auf die Perspektive an. Der Arbeitgeber findet das Arbeitsrecht zu arbeitnehmerfreundlich. Der Vermieter wiederum fühlt sich durch das Mietrecht zu sehr eingeschränkt. Und der Gläubiger findet das Zwangsvollstreckungsrecht zu lasch. Das ist natürlich sehr überspitzt und extrem vereinfacht.
Für Schuldner ist häufig schwer zu verstehen, dass das Insolvenzrecht nicht für sie da ist. Oder zumindest nicht nur. Das Insolvenzrecht ist ein Teil der Zwangsvollstreckung und damit ein Recht, dass seinen Schwerpunkt in der Sicht des Gläubigers auf den Schuldner hat. Die Rollenverteilung ist dementsprechend. Der Gläubiger ist zwar nicht Herr des Verfahrens, aber ihm wird in vielen Fällen ein Antragsrecht oder Mitspracherecht eingeräumt. Der Schuldner wird in seinen Rechten eingeschränkt und Regeln unterworfen. Der Insolvenzverwalter und das Insolvenzgericht stehen als neutrale Instanzen dazwischen.
Wie kann man nun für sich die richtige Einstellung zum Insolvenzverfahren finden? Ich glaube, dass es am sinnvollsten ist, als erstes das persönliche Ziel zu definieren. Das Ziel im Insolvenzverfahren ist für jeden Beteiligten unterschiedlich. Für Schuldner ist es typischerweise entweder die Befreiung von Schulden oder die Erfüllung der persönlichen Pflicht zur Antragstellung oder der Wunsch eine Sanierung zu erreichen.
Die Restschuldbefreiung ist ein Ziel, dass einen langen Weg mit klaren Regeln bedeutet. Aber die Auswirkungen dieser Regeln sind nicht schlimmer als ständig mit der Angst vor der nächsten Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher zu leben. Oder der Notwendigkeit, sein Leben um die Vermeidung von pfändbaren Einkünften herum zu organisieren. Die Energie, die in betrügerische oder auch nur legale Vermeidungsstrategien gesteckt wird ist im Insolvenzverfahren besser aufgehoben. Fragen Sie sich einfach mal, ob eine ungeregelte von steter Unsicherheit geprägte Lebenssituation angenehmer ist als eine geregelte, wenn auch nicht komfortable Existenz?
Dem Unternehmer, der nicht nur für sich denken muss, sondern auch für seinen Betrieb und seine Arbeitnehmer Verantwortung übernimmt, geht es ähnlich. Die ständige Bewältigung neuer und immer wiederkehrender Krisen führt kaum zu Zufriedenheit. Wenn nur noch Brandherde gelöscht werden, anstatt sich auf die wesentlichen Dinge des Geschäfts zu konzentrieren, dann gilt es auch hier die Vorteile und Nachteile einer Insolvenz abzuwägen. Und daneben zu beachten, dass der Gesetzgeber in einigen Fällen verlangt, dass Insolvenz angemeldet wird. Vielfach hilft tatsächlich schon die klare Struktur eines Insolvenzverfahrens, um die Geschäfte eines Krisenunternehmens zu stabilisieren. Und wenn es nur die Entlastung der Verantwortlichen ist. Das ist kein Allheilmittel, das ist klar. Aber auch hier gilt, besser früher als später den Antrag stellen.
Früher deshalb, weil vielfach der Glaube vorherrscht, es werde schon alles gut gehen oder der Berater sagt, dass kein Antrag zu stellen ist, und dann wenn es soweit ist, die Spielräume zur Sanierung klein werden. Es gibt unterschiedliche Statistiken dazu, wann ein Unternehmen insolvent war und wann dann tatsächlich Antrag gestellt wurde. Die Tendenz ist grob gesagt erschreckend. Die „Verspätung“ reicht von ein paar Monaten bis hin zu mehreren Jahren. Warum das wichtig ist? Eine Sanierung ist dann einfacher, wenn dem Insolvenzverwalter noch genügend Betriebsmittel und Geld aus dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Wir können zwar einiges regeln, aber zaubern können wir nicht. Vereinfacht gesagt, wenn noch nicht einmal mehr Geld für den Einkauf von Farbe da ist, dann kann man einen Malereibetrieb schlecht fortführen. Monate vorher ist das meist noch der Fall und vor allem die Arbeitnehmer sind dann häufig noch bezahlt. Die Chancen auf einen Erhalt des Unternehmens sind bedeutend größer. Und glauben Sie mir, ich habe bedeutend mehr Spaß an einer erfolgreichen Sanierung, als an einer Zerschlagung eines Unternehmens nur weil der Geschäftsführer geglaubt hat, er wird das schon noch hinkriegen.
Läuft damit alles richtig im Insolvenzrecht? Genug, um zu sagen, dass es funktioniert. Und wie andere Länder das sehen und es anders machen, das soll Thema von Fragen-Freitag 11: Ich geh nach England! werden.
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