Es ist eine immer wiederkehrende Frage. Der Insolvenzverwalter ficht eine Rechtshandlung nach § 133 InsO, also wegen Benachteiligungsvorsatz, an. Der Gegner sagt, ich wusste doch von nichts. Und wer muss nun was beweisen? Der IX. Senat des BGH hat sich in seinem neuesten Fall (BGH IX ZR 61/14 vom 17.12.2015) wieder mit dieser Grundsatzfrage beschäftigt, diesmal in der Form, wann denn eine Kenntnis des Anfechtungsgegners wieder wegfällt.
In seiner Entscheidung bestätigt der BGH zunächst noch einmal seine seit Jahren verfolgte Rechtsprechung zu § 133 InsO. Ein Benachteiligungsvorsatz ist aus der Tatsache der Zahlungsunfähigkeit des Handelnden heraus zu lesen. Denn wer weiß, dass er nicht alle seine Gläubiger bedienen kann, der nimmt regelmäßig billigend in Kauf, dass er mit der Zahlung an einen die anderen benachteiligt. Eine Ausnahme hiervon ist allenfalls die Annahme des Schuldners, er werde bald wieder zahlen können, da in naher Zukunft ein Kredit erlangt werden kann. Das Urteil bestätigt auch noch einmal, dass selbst eine kongruente Leistung nicht den Vorsatz aufhebt. Nur weil jemand zur Erlangung einer gleichwertigen Gegenleistung einen Gläubiger bedient, ist dies noch kein Freibrief.
Wie schon häufig zuvor stellt der BGH die Zahlungsunfähigkeit im aktuellen Fall über die Zahlungseinstellung fest. Auch hier nimmt der BGH wieder Bezug zu seiner Rechtsprechung zu § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO (z.B. BGH IX ZR 180/12 vom 12.02.2015). Kann über die von der Rechtsprechung entwickelten Beweisanzeichen eine Zahlungseinstellung dargelegt werden, so braucht der Insolvenzverwalter keine detailliert fortgeschriebene Liquiditätsbilanz vorlegen.
Im hier behandelten Fall hatte der Schuldner seinen Gläubigern schriftlich die finanzielle Schieflage bekannt gegeben und um Stundung und Forderungsverzicht gebeten. Der BGH wird sehr deutlich und führt in Randnummer 20 aus, dass „Diese Erklärung der Schuldnerin, ihre Verbindlichkeiten nicht bedienen zu können, […] ungeachtet der Bitte um Stundung und Forderungserlass nachdrücklich auf eine Zahlungseinstellung hin[deutet]“.
Neben diesem fallspezifischen, deutlichen Indiz nimmt der BGH wie zuvor die Nicht- oder Spätzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen als signifikantes Anzeichen und stellt darauf ab, dass auch sonstige Verbindlichkeiten aus dem Zeitraum vor den angefochtenen Rechtshandlungen bis zur Insolvenzeröffnung unbezahlt geblieben sind.
Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit erlange ein Gläubiger, wenn ihm Umstände bekannt werden, die zwingend den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit nach sich ziehen. Auch das ist keine Neuerung, sondern Gesetzestext. Interessant ist jedoch, dass der BGH sich die Mühe macht, noch einmal deutlich hervorzuheben, dass für die Annahme einer solchen Kenntnis spricht, wenn der betreffende Gläubiger überlebenswichtige Dienstleistungen erbringt und weiß, dass der Schuldner unternehmerisch tätig ist. In Randnummer 25 des Urteils führt das Gericht aus: „Diese Gegebenheiten trugen auch aus der Sicht des Beklagten zu dem Gesamtbild eines am Rande des finanzwirtschaftlichen Abgrunds operierenden Schuldners bei, dem es auf Dauer nicht gelingt, bestehende Liquiditätslücken zu schließen, sondern der nur noch darum bemüht ist, trotz fehlender Mittel den Anschein eines funktionstüchtigen Geschäftsbetriebs aufrecht zu erhalten“ (BGH IX ZR 203/12 vom 08.01.2015, Rn. 23)
Nachdem der BGH also zunächst über weite Strecken seine vorherigen Entscheidungen erneut bekräftigt, hatte er sich in diesem Urteil mit der Frage zu beschäftigen, ob und wann eine einmal eingetretene Kenntnis des Anfechtungsgegners wegfallen kann. Und wer das zu beweisen hat.
Der BGH stellt zunächst fest, dass der Anfechtungsgegner für die ihm günstige Tatsache des Wegfalls der Zahlungsunfähigkeit und/oder der Kenntnis hiervon beweisbelastet ist. Der Gläubiger muss darlegen und beweisen, dass der Schuldner seine Zahlung in Gänze wieder aufgenommen hat und dies mit Tatsachenvortrag untermauern. Es komme hierbei darauf an, dass nicht nur die bloßen Umstände, die ursprünglich die Zahlungsunfähigkeit indizierten weggefallen sind, sondern der Gläubiger aus den nun vorliegenden Umständen schließen musste, dass die Gefahr vorüber war. Es gilt also, dass eine einmal festgestellte Kenntnis, auch über Jahre hinweg, fortbesteht, es sei denn der Betreffende kann anderes beweisen. Und hierfür reiche es nicht, dass der Anfechtungsgegner vom Schuldner wieder Zahlungen erhält.
Zuletzt beschäftigt sich der BGH noch mit der Frage, ob ein Bargeschäft vorliegt, was bei dem Schuldner, der ja dann gleichwertige Gegenleistungen in sein Vermögen fließen sehe, den Vorsatz beseitige. Auch hierzu entscheidet der BGH im Wege der Beweislastverteilung, die er beim Anfechtungsgegner sieht. Dieser hat darzulegen und zu beweisen, dass eine gleichwertige Zug-um-Zug-Leistung vorlag und ob vom Schuldner zugleich die Leistung abweichend von § 366 Abs. 2 BGB zugeordnet wurde.
Insgesamt findet sich mit dieser Entscheidung eigentlich keine wesentliche Neuerung für die Praxis, aber eine deutliche und instruktive Wiederholung bereits ergangener Entscheidungen.