Der Schuldner im Insolvenzverfahren und in der Restschuldbefreiung hat nach § 295 Absatz 1 Nr. 1 InsO eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben oder sich um eine solche zu bemühen. Diese Obliegenheit ist ein Kernelement der Voraussetzungen für eine erfolgreiche Restschuldbefreiung. Und doch wird diese Anforderung durch Schuldner leider häufiger missachtet.
Das Landgericht Hamburg hat in seinem Beschluss vom 26.02.2016 (ger. AZ 326 T 61/15) nun eine Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg bestätigt. Das Amtsgericht hatte den Schuldner zum Nachweis seiner Erwerbstätigkeit bzw. seiner Bemühungen um eine solche aufgefordert. Als der Schuldner den Aufforderungen zwar nachkam, aber nur unvollständige Belege vorweisen konnte, beschloss das Amtsgericht die Aufhebung der Stundung der Verfahrenskostennach § 4c Nr. 4 InsO.
§ 4c Nr. 4 InsO korrespondiert mit der Obliegenheit zu Ausübung eines angemessenen Erwerbs. Wenn der Schuldner sich schuldhaft nicht bemüht, wie hier angenommen, oder die Erwerbstätigkeit unangemessen ist, dann kann die Stundung aufgehoben werden. Das bedeutet für viele Schuldner das Ende der Restschuldbefreiung, da sie aus ihren Einkünften regelmäßig ohne Arbeit eben nicht die Verfahrenskosten von mindestens 119,00 € pro Jahr der Restschuldbefreiungsphase für den Treuhänder zahlen können. Denn wer nicht zahlt, riskiert einen Antrag des Treuhänders nach § 298 InsO.
Der Schuldner erklärte, er sei arbeitslos und so sehr erkrankt, dass er voraussichtlich nicht mehr arbeiten können werde. Er prüfe mit dem Jobcenter die Verrentung. Das Jobcenter bestätigte den Vortrag im Großen und Ganzen. Der Schuldner blieb allerdings Nachweise für seine Arbeitsunfähigkeit über einen größeren Zeitraum innerhalb des Restschuldbefreiungsverfahrens schuldig. Erst für die Zeit kurz vor der Entscheidung des Amtsgerichts konnte er über Atteste nachweisen, dass eine Arbeitsunfähigkeit vorlag.
Das Amtsgericht beanstandete auch, dass der Schuldner seine Nachweise über eine Bewerbung um Arbeit nicht vorlegen konnte. Der Schuldner hatte nur Arbeitgeber benannt, bei denen er sich telefonisch beworben hatte. Telefonnummern, Ansprechpartner oder gar Daten der Gespräche lieferte er nicht.
Auf die Beschwerde des Schuldners hatte sich nun das Landgericht mit der Sache zu befassen. Der Schuldner trug vor, dass es nur unsinnige Förmelei sei, einem Schuldner die Arbeitssuche aufzugeben, wenn er, so wie er, sowieso keine Chance am Arbeitsmarkt habe. Dies habe der BGH in seiner Entscheidung vom 02.12.2010 – IX ZB 160/10 auch so gesehen.
Das Landgericht jedoch fand, dass die Situation des Schuldners gerade nicht mit der Fallkonstellation des BGH zu vergleichen ist. Die bloße Tatsache, dass das Jobcenter ihn nicht vermitteln konnte, sei nicht hinreichend. Für eine Erfüllung der Obliegenheiten des Insolvenzschuldners sieht der BGH eine höhere Messlatte. Zwei bis drei Bewerbungen pro Woche seien angemessen (BGH 13.09.2012 – IX ZB 191/11 – RN 8). Auch telefonische Bewerbungen sind hierfür grundsätzlich hinreichend, aber der Schuldner muss hierbei eine genaue Dokumentation vornehmen, die mindestens Arbeitgeber, Datum, Telefonnummer und Ansprechpartner enthält.
Die Krankheit des Schuldners sei vielleicht ein Hindernis, aber der Nachweis einer durchgehenden Erwerbsunfähigkeit sei nicht gelungen. Die ärztlichen Atteste wiesen eine fast zweijährige Lücke auf, innerhalb derer auch das Jobcenter noch von einer Vermittelbarkeit ausging und eine Eingliederungsvereinbarung ankündigte. Nur wenn der Schuldner durch Beurteilung eines objektiven Dritten sicher nicht mehr vermittelt werden könne, sei es mit dem BGH eine bloße Förmelei, auf Bewerbungen zu bestehen. Hier habe der Schuldner trotz mehrfachem Hinweis keine hinreichenden Belege für seine Bewerbungsbemühungen vorgelegt, weshalb der Vortrag als reine Schutzbehauptung zu werten sei.
Dementsprechend wurde die Beschwerde des Schuldners abgewiesen. Das Landgericht sah keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Sache und ließ eine Rechtsbeschwerde daher nicht zu.
Zusammengefasst: Der Schuldner im Restschuldbefreiungsverfahren hat sich um Arbeit zu bemühen. Tut er dies schuldhaft nicht, so kann ihm die Stundung entzogen werden, was häufig zur Versagung der Restschuldbefreiung führt. Wer seine Bemühungen nicht lückenlos und detailliert nachweisen kann, handelt üblicherweise grob fahrlässig. Die Entscheidung des BGH vom 02.12.2010 – IX ZB 160/10 ist kein Freibrief für schwer vermittelbare Menschen, nichts mehr zu tun. Es gilt also bewirb Dich oder keine Stundung!