Das in einem Insolvenzverfahren nicht immer alles rund läuft, ist nichts Überraschendes. Es fehlt dem Schuldner regelmäßig an Geld, um all die kleinen Dinge zu bezahlen, die für einen reibungslosen Betrieb notwendig sind. Wenn dann aber auch noch die Arbeitnehmer nicht mitziehen, dann wird es schwierig. Bei der Fluggesellschaft Air Berlin ist das Unternehmen mit dem vorläufigen Sachwalter immer noch bemüht, innerhalb kürzester Zeit einen Käufer für die Unternehmensteile zu finden. In der Presse war immer wieder die Rede davon, dass eine Bieterrunde stattfindet. Oder dass die Flugzeuge übernommen werden. Für ein vorläufiges Verfahren sind knapp sechs Wochen zwischen Antrag und konkreten Verkaufsoptionen sehr gut.
Was allerdings nun zu Irritationen und auch Flugausfällen führt, sind die unsicheren Arbeitnehmer. Insbesondere die Piloten der einzelnen in Rede stehenden Linien sind unsicher, ob ihre Linie lukrativ genug ist, um beboten zu werden. Und wer unsicher ist, ob sein Arbeitsplatz erhalten bleibt oder wegfällt, weil die Verbindung gestrichen wird, der fliegt nicht.
Auf der einen Seite kann ich das gut verstehen. Wer sich mit wesentlichen Fragen seines weiteren Berufslebens auseinandersetzen muss, der kann nicht entspannt fliegen. Und deprimierte oder auch nur unkonzentrierte Piloten sind etwas, was keiner gerne im Cockpit sitzen hat. Andererseits durfte ich vor einigen Tagen selbst miterleben, was für eine Folge solche Ausfälle nach sich ziehen. Mein Flug sollte über Air Berlin als Subunternehmer abgewickelt werden. Ich saß, gottseidank nach einem Termin, in Süddeutschland auf einem Flughafen und mein Flieger kam nicht. Erst eine Stunde nach dem angepeilten Abflug rollte eine Ersatzmaschine ans Gate. Hätte ich in Hamburg zu einem bestimmten Zeitpunkt sein müssen, es hätte nicht funktioniert.
Was kann man als Fluggast nun tun? Es gibt die EU-Verordnung 261/2004. Nach deren Artikel 7 bekommt man Schadensersatz, wenn man gar nicht fliegt. Je nach Entfernung und Zeit gestaffelt immerhin zwischen 250,00 und 600,00 €. Nur, dass hätte mir nicht geholfen. Allerdings hat der EuGH festgestellt, dass über drei Stunden Warten einer Annullierung gleichkommt. Wäre also mein Flieger über drei Stunden nach der planmäßigen Ankunft in Hamburg angekommen, so hätte ich immerhin 250,00 € bekommen können. Und nein, nicht von Air Berlin, sondern von meinem eigentlichen Vertragspartner, der nur so unglücklich war, sich Air Berlin als Subunternehmer auszusuchen.
Wäre ich AirBerlin-Kunde gewesen, so hätte ich meinen Schadensersatz erst nach Eröffnung im Insolvenzverfahren anmelden können. Also wohl erst in einem Monat, wenn das Amtsgericht Berlin den Beschluss gefasst hat. Die Höhe der Quote war und ist völlig unklar. Dennoch ist zumindest das Porto für die Forderungsanmeldung beim Insolvenzverwalter gut angelegtes Geld, da die Ersatzansprüche nach Artikel 7 EU-Verordnung 261/2004 eigentlich recht einfach zu begründen sind.
Was uns zu den Piloten zurückbringt. Die Verunsicherung der Piloten und anderen Arbeitnehmer von AirBerlin ist eine Sache, die völlig verständlich ist. Kaum ein Arbeitnehmer kann seine Rechte im Insolvenzverfahren hinreichend einschätzen. Es schwirren Begriffe wie Sozialplan, Sozialauswahl, Betriebsübergang, Erwerberkonzept und Massenentlassungsanzeige durch die Medien, die eigentlich auch keinen rechten Plan von der Lage haben.
Generell gilt:
1.) Arbeitsverträge enden nicht automatisch mit der Insolvenzeröffnung oder gar schon mit der Antragstellung.
2.) Kündigungsfristen können im Insolvenzverfahren auf bis zu drei Monate gekürzt werden, sind aber trotzdem einzuhalten.
3.) Wenn ein Übernehmer Teile oder gar die ganzen Flugzeuge übernimmt, so dürfte es sich um einen Betriebsübergang nach § 613a BGB handeln, was zum automatischen Übergang aller Arbeitsverhältnisses führt.
4.) Will der Erwerber nur einen Teil der Arbeitnehmer („die Olympiamannschaft, jung und zu Höchstleistungen bereit“), so muss er mit dem Insolvenzverwalter einen Plan nach Erwerberkonzept erstellen und es ist gegebenenfalls durch den Verwalter ein Sozialplan mit Interessenausgleich zu erstellen. Dies kann zu erheblichen Geldzahlungen an die nicht übernommenen Arbeitnehmer führen. Da hier häufig Fehler gemacht werden, es ist eben eine komplizierte Materie, bieten sich Angriffsmöglichkeiten.
Sollten Sie Arbeitnehmer bei AirBerlin sein, so sollten Sie sich frühzeitig beraten lassen und nichts voreilig unterschreiben.
Sind Sie Kunde von AirBerlin, so sollten Sie bei Forderungen gegen die Fluglinie nicht alles verloren geben, sondern mit professioneller Hilfe Ihre Forderung im Verfahren anmelden und verfolgen.