Die Insolvenzanfechtung ist ein kompliziertes Teilgebiet des Insolvenzrechts und sorgt bei Gläubigern regelmäßig für Kopfzerbrechen. Dem BGH lag ein Fall der Dreieckanfechtung vor, in dem gleich zwei Insolvenzverwalter einen Gläubiger, der kurz vor Torschluss noch Geld bekam, unter Feuer nahmen. Der eine Verwalter schloss einen Vergleich. Der andere Verwalter wollte dann aber den Rest des Geldes, auf den der erste im Vergleich verzichtet hatte, für seine Masse. Verständlicherweise fand das der Gläubiger seltsam, gleich zweimal in Anspruch genommen zu werden und trug den Streit vor Gericht.
Während das Landgericht dem Verwalter Recht gab, sah das Oberlandesgericht die Sache anders, so dass der BGH entscheiden musste. Der BGH wiederum hob das OLG auf und stellte das Landgerichtsurteil wieder her.
Der Sachverhalt einer Dreiecksanfechtung ist kompliziert zu erklären, aber typischerweise zahlt jemand die Schuld eines anderen, ohne das er selbst dem Gläubiger oder dem eigentlichen Zahlungsverpflichteten etwas schuldet. Dahinter stecken üblicherweise miteinander wirtschaftlich oder persönlich verbundene Gesellschaften oder Menschen. So auch in diesem Fall. Der Zahlungspflichtige und der tatsächlich Leistende waren Schwestergesellschaften. Gläubiger G hatte Forderungen über rund 65.000 € gegen Schwester A, die Schwester B kurz vor dem Insolvenzantrag bezahlte. Über A und B wurde am selben Tag das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Amtsgericht setzte aber zwei verschiedene Insolvenzverwalter ein.
Insolvenzverwalter A focht als erster an und verlangte von G die 65.000 € im Wege der sogenannten Deckungsanfechtung aus § 131 InsO. G hätte das Geld von A bekommen sollen und nicht von B. Insolvenzverwalter A und G einigten sich in einem Vergleich über eine Zahlung von 32.500 € und A verzichtete auf den Restanspruch. Insolvenzverwalter B focht danach gegen G auf Grund von § 134 InsO die restlichen rund 32.500 € wegen Unentgeltlichkeit an. B habe ja nie an G zahlen müssen und durch die Insolvenz beider Gesellschaften sei klar gewesen, dass die Gegenleistung (Verlust der Forderung bei G) wirtschaftlich wertlos gewesen sei, die Zahlung sei also ein Geschenk an G gewesen.
Der BGH hat nun in seiner Entscheidung vom 04.02.2016 klargestellt, dass wie zuvor schon in einer wegweisenden Entscheidung (BGHZ 147, 228 und ZInsO 2008, 106) ausgeführt, die Deckungsanfechtung der Schenkungsanfechtung vorgeht (s.o. Rn. 23), wenn die Deckungsanfechtung denn begründet ist (dort Rn. 46 ff.). Darüber hinaus beschäftigt sich der BGH in seiner aktuellen Entscheidung nun noch mit der Frage, ob schon ein zweifelhafter Anspruch in der Deckungsanfechtung mit einem nachfolgenden Vergleich ausreicht, die Schenkungsanfechtung zurückzudrängen. Ebenso beschäftigt sich der BGH mit der Frage, wie sich der Verzicht des Insolvenzverwalters (hier A) im Vergleich auf das Schenkungsverhältnis (B zu G) auswirkt.
Den Vorrang begründet der BGH so:
„Der Vorrang der Deckungsanfechtung beruht insbesondere auf der Erwägung, mittelbare Zuwendungen seien anfechtungsrechtlich so zu behandeln, als habe der Zuwendungsempfänger die Leistung unmittelbar von seinem Forderungsschuldner, der den Zuwendenden als Leistungsmittler angewiesen hat, erhalten. Er folgt außerdem daraus, dass sich die Schenkungsanfechtung auf die Wertlosigkeit der gegen den Forderungsschuldner gerichteten Forderung gründet. Hätte dieser selbst geleistet, unterläge seine Zahlung infolge seiner Insolvenzreife der Deckungsanfechtung. Hinter diese Deckungsanfechtung hat die auf die Wertlosigkeit der beglichenen Forderung gestützte Schenkungsanfechtung zurückzutreten (BGH, Urteil vom 16. November 2007, aaO Rn. 38; vom 22. Oktober 2009 – IX ZR 182/08, WM 2009, 2283 Rn. 12). Da die Anfechtung einer mittelbaren Zuwendung voraussetzt, dass der Forderungsschuldner den Gegenwert der Leistung dem Zuwendenden zur Verfügung gestellt hat (BGH, Urteil vom 16. November 2007, aaO Rn. 25), erscheint es auch im Blick auf dieses Vermögensopfer und die darum schutzwürdigeren Belange der Gläubiger des Forderungsschuldners angemessen, der Deckungsanfechtung Priorität zu geben (BGH, aaO Rn. 42 ff).“
In der weiteren Begründung sieht der BGH den Gläubiger im Risiko, wie er die Durchsetzbarkeit der einzelnen Anfechtungsansprüche bewertet und ob und an wen er zahlt.
Ein Vergleich mit einem Insolvenzverwalter sorge aber nicht dafür, dass damit alle Anfechtungsansprüche aller Insolvenzverwalter erledigt seien. Einige sich A mit G so betreffe das nur das Verhältnis A zu G, da A nicht über die Insolvenzmasse des B entscheiden könne. Eine Durchsetzung des Anspruchs des B sei aber begrenzt auf den durch den Vergleich erlassenen Rest.
Das was an A auf die Deckungsanfechtung gezahlt wurde kann nicht zum zweiten Mal gefordert werden:
„Die beiden Insolvenzverwalter sind mit ihren Ansprüchen aus Deckungsanfechtung einerseits und Schenkungsanfechtung andererseits weder Gesamtgläubiger noch Teilgläubiger (BGH, Urteil vom 16. November 2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 30 ff). Also liegen konkurrierende Anfechtungsansprüche für verschiedene Insolvenzmassen vor, die sich allerdings, auch soweit beide begründet sind, nur einmal durchsetzen lassen (BGH, aaO Rn. 33). Die aus dem Konkurrenzverhältnis folgende Durchsetzungssperre für die Schenkungsanfechtung greift, wenn ein begründeter Anspruch aus Deckungsanfechtung auch tatsächlich erfüllt wird. Andernfalls wäre nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte den in doppelter Weise anfechtbaren Betrag an überhaupt niemand zurückzahlt (BGH, Urteil vom 16. November 2007, aaO Rn. 46). Es lässt sich gegenüber den Gläubigern im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leistungsmittlers nicht rechtfertigen, dass der von Rechts wegen zugunsten dieser Masse bestehende Anfechtungsanspruch dadurch zunichte gemacht wird, dass ein Vergleich über einen zweifelhaften Anspruch aus Deckungsanfechtung geschlossen wird. Dann bestünde außerdem in erheblichem Umfang die Gefahr von Verträgen zu Lasten der Masse des Leistungsmittlers, weil derartige Vergleichsabschlüsse nicht nur für den Verwalter der Deckungsanfechtung, sondern auch für den Anfechtungsgegner von unmittelbarem wirtschaftlichen Vorteil wären.“
Als Trostpflaster stellt der BGH am Schluss fest, dass der Gläubiger zwar trotz des Vergleichs auch den Rest zahlen muss, aber immerhin seine Forderung vollständig im Verfahren des A zur Tabelle anmelden kann:
„Nach § 144 Abs. 1 InsO lebt die Forderung des Empfängers einer anfechtbaren Leistung wieder auf, wenn er das Erlangte zurückgewährt. Das gilt unabhängig von dem geltend gemachten Anfechtungsgrund. Voraussetzung für das Wiederaufleben der Forderung ist die tatsächliche Rückgewähr des Empfangenen (BGH, Urteil vom 8. Januar 2015 – IX ZR 300/13, ZIP 2015, 485 Rn. 17). Das gilt auch im anfechtungsrechtlichen Drei-Personen-Verhältnis (BGH, Urteil vom 22. November 2012 – IX ZR 22/12, ZInsO 2013, 73 Rn. 12; vom 8. Januar 2015, aaO Rn. 17). Allein die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs oder der Abschluss eines Vergleichs über den Rückforderungsanspruch reichen dagegen nicht aus (BGH, Urteil vom 8. Januar 2015, aaO). Durch den Vergleichsabschluss im Vorprozess ist die Forderung der Beklagten also nicht wieder aufgelebt, sondern erst durch die Auszahlung des Vergleichsbetrages an den Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schwestergesellschaft.“
Zusammengefasst:
Wer eine Zahlung erhält, die nicht von dem eigentlichen Forderungsschuldner stammt, sollte sich innerlich gegen eine Anfechtung wappnen. Kommt die Anfechtung vom Verwalter des Forderungsschuldners, so sollte der Gläubiger ggf. den Insolvenzverwalter des Zahlenden ins Boot holen, wenn ein Vergleich wirklich wasserdicht sein soll. Wird durch den Verwalter des nichtverpflichteten Zahlenden angefochten, so kann der Gläubiger den Vorrang der Deckungsanfechtung einwenden.
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